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Düsseldorf suchte den Super Slammer

100 Kandidaten traten an bei den deutschsprachigen Poetry Slam Meisterschaften 2009 in Düsseldorf

„Ich bin ein Gewinner“ war Julius Fischer überzeugt. Als Premium-Mitglied, Besitzer von Punktekarten und heiß umworbener neuntausendneunhundert-neunundneunzigster Besucher von bestimmten Internetseiten steht er sonst auf der Sonnenseite des Lebens. Am Samstagabend ließ ihm sein Glück im ausverkauften großen Saal des Düsseldorfer Schauspielhauses jedoch im Stich. Dabei hätte man nicht nur ihm, sondern allen zehn Finalisten der diesjährigen deutschsprachigen Poetry Slam Meisterschaften den Sieg gewünscht. Um überhaupt an diesem Abend auf dieser Bühne stehen zu können, hatten sich alle verbal durch mehrere Vorrunden gekämpft und neunzig Kandidaten hinter sich gelassen. Doch nur einer von ihnen konnte den Pokal nach Hause nehmen, die Jury hatte einen schweren Job, aus dem Kopf an Kopf Dichten der Top Ten einen Sieger zu wählen. Zum Einstieg ins Dichterrennen präsentierte Tracy Splinter, die erste und bisher einzige weibliche deutschsprachige Slam-Meisterin eine eigenwillige Performance zwischen Strip und Lyrikvortrag. Seltsamerweise trug sie ihre Wortakrobatik nur in englischer Sprache, garniert mit etwas Spanisch, vor. Etwas befremdlich fand mancher Besucher auch ihr Angebot, dem Gewinner ihr Hinterteil zum Küssen anzubieten, obwohl Derbes und Deftiges zum Slammen gehört wie der Senf zur Wurst. Die Entkleidungsnummer der Dame wurde mit Buhrufen und Applaus zugleich begrüßt, an ihrer Dichtkunst mussten sich die Kandidaten anschließen messen. Trotz der harten Wortbandagen, die an diesem Abend flogen, herrschte ausgelassene Party-Stimmung im Saal. Mit Bierflaschen prosteten sich die Besucher zu, aus Taschen und Rücksäcken wurden Knabbereien ausgepackt und mit Sitznachbarn geteilt. Seifenblasen glitten glänzend über die Stuhlreihen. Favoriten wurden angefeuert, laute Zwischenrufe an der Tagesordnung. Die Kandidaten lieferten Ausflüge in die Welt der Quallen, der Krabbelgruppen und der Kinderbespaßung. Hier schilderte Lara Stoll, die einzige weibliche Finalistin, sehr plastisch und zweisprachig die Folgen einer Lebensmittelvergiftung nach einem Kinderfest. Regurgierte Mageninhaltsbröckchen in green, blue, yellow mit zäh und dünner Flüssigkeit überforderten die angerufene Giftzentrale und waren am Ende ein Fall für die Polizei. Weniger ekelig war da die humorvoll gereimte Definition verschiedener zwischengeschlechtlicher Beziehungsformen. Von „Affaire“ über „One Night Stand“ bis zur „Romanze“ erklärte Philipp Scharrenberg auf höchstamüsanter Weise die unterschiedlichen Perspektiven von Männern und Frauen. Wilhelm Busch hätte das nicht pointierter hingekriegt. Der Saal kocht, als Philipp Scharrenberg am Ende dieser langen Nacht den heiß umkämpften Pokal überreicht bekommt, der eigene Kopf raucht von dem Feuerwerk gehauchter, gebrüllter, lakonisch hingeworfener, geflüsterter Worte, die drei Stunden bestes Kopfkino beschert haben. Und das Hinterteil von Tracy? Das kam wie versprochen zum Schluss noch mal zum Vorschein. NRZ Viel Kopfkino 2-11-09