Geben ist seliger als Nehmen, so hat es Jesus den Aposteln gepredigt – eine Ermahnung, altruistisch zu handeln. An dieses christliche Plädoyer für Großzügigkeit erinnern wir uns gerne in diesem Monat. Jahr für Jahr hetzen Massen durch die Innenstädte auf der Suche nach Geschenken für ihre Liebsten. Paketzusteller sind am Anschlag und die Post wird Anfang des Monats wieder darauf hinweisen, dass Pakete, die bis zum 24. zugestellt werden sollen, bald abgegeben werden müssen. Und dann sind da die Spendenaufrufe, die alljährlich um diese Zeit verstärkt auf uns prasseln. Seid großzügig! Spendet! Schenkt!
Und das tun die Deutschen. Sie zeigten sich in den letzten zwei Jahren so spendabel wie noch nie, laut dem Deutschen Spendenrat.5,7 Mrd. Euro wurden 2022 gespendet, hauptsächlich wegen des Ukrainekriegs. Rekordjahr der Großzügigkeit war 2021 (5,8 Mrd.), das Jahr der Flutkatastrophe. Am meisten wird im Dezember gespendet, fast drei Mal so viel wie im Jahresdurchschnitt.
Sind wir also eine großzügige Gesellschaft? Ein Volk der Nächstenliebenden und Rücksichtnehmenden? Zwar wird im Advent das Portemonnaie leichter gezückt, doch von mehr Altruismus kann nicht die Rede sein. Im Gegenteil.
Hauptsache bequem
Wir geben uns mehr Platz, im Mittelpunkt zu stehen. Eine Parkplatz-Erlebnis bleibt mir ewig in Erinnerung. Als ich zu meinem Auto zurückkam, parkte gerade ein Riesen-SUV daneben ein. Ziemlich eng, dachte ich. Eine junge Frau stieg aus, stieß mit ihrer Fahrertüre an meinen Kleinwagen. Ähm …, setzte ich an, da riss sie schon die Hintertür auf und knallte auch diese gegen mein Auto. Leicht sauer sagte ich ihr, sie solle bitte aufpassen. Doch statt sich zu entschuldigen, blaffte sie mich an, ob ich nicht sähe, dass sie ihr Kind aus dem Auto holen müsse. Als ob dies die Rechtfertigung dafür wäre, meine in ihren Augen sicherlich wertlose Karre zu zerkratzen. Ihre Unverfrorenheit verschlug mir die Sprache, während Madame das Kind aus dem Maxi-Cosi schälte, es auf den Arm hob, die Tür zuknallte, und ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen von dannen ging. Ich höre oft, dass andere ähnliche Erfahrungen machen. Mimimimimi. Wir sind zu einer Gesellschaft von Egoist:innen mutiert, denen die eigene Bequemlichkeit in Mittelpunkt steht. Die SUV-Mutti ist nicht allein.
Verzicht? Lächerlich!
Für Geflüchtete zu spenden hindert nicht daran, auf der Aida durchs Mittelmeer zu schippern. Dass unterm Bug tausende Leichen von Geflüchteten liegen – egal. Wir sind für faire Löhne. Aber dass ein 5-Euro-T-Shirt nicht zu fairen Löhnen hergestellt werden kann, welche Discounter-Kund:in kümmert’s?
Es scheint ein großer Widerspruch zu sein. Auf der einen Seite großzügig, auf der anderen Seite egoistisch. Mit Geld können wir spendabel sind, weil wir immer noch zu den reichsten Ländern gehören. Spenden beruhigt schließlich auch das Gewissen. Aber bei der Organspende sind wir in Europa ziemliches Schlusslicht. Nehmen aber gerne und oft Organspenden aus anderen Ländern an. Auch die Bereitschaft, Zeit zu spenden, lässt nach. 2022 engagierten sich fast 2,5 Millionen Menschen weniger im Ehrenamt als noch 2016. Eine Petition unterschreiben? Ja gerne. Aber nur wenige sind bereit, wirklich etwas dafür zu tun, dass sich Missstände ändern. Denn das kostet nicht nur Energie, sondern heißt auch ein wenig Verzicht üben. Verzichten? War mal eine Tugend. Ist heute lächerlich altmodisch, denn wir haben gelernt: Geiz ist geil und wir dürfen aus dem Vollen schöpfen. Und im Dezember zeigen wir uns spendabel, wie alle Jahre wieder.
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