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Film und Buch

„Togoland Projektionen“: Vom deutschen Kolonialtraum – eine historische Doku von Jürgen Ellinghaus

Die deutsche Kolonialzeit wird in Togo noch von vielen verklärt. Weil sie länger zurück liegt als die Zeit der Briten und Franzosen? Immer noch gibt es ein Denkmal der Deutsch-Togolesischen Freundschaft. Immer noch zieren Porträts deutscher Kolonialgouverneure Schulgebäude. Und jedes Jahr im November wird am Volkstrauertag in Togo den verstorbenen Deutschen gedacht und gewürdigt. Sieben deutsche Friedhöfe gibt es in Togo, die Feierlichkeiten finden jedes Jahr an einem anderen dieser Orte statt. „Ich bin stolz darauf, dass es in Togo noch so viele deutsche Friedhöfe gibt“, sagt der deutsche Botschafter bei der Gedenkfeier 2022 – und meint es nicht ironisch. Jürgen Ellinghaus begibt sich in seiner Doku auf den Spuren des Filmregisseurs Hans Schomburgk, der Anfang des letzten Jahrhunderts in die damalige deutsche Kolonie Togoland reiste, um exotische Bilder von wilden Menschen und wundersamen Tieren für ein deutsches Publikum festzuhalten. Neben Aufnahmen für den Spielfilm „Eine Weiße unter Kannibalen“ filmte er auch Dokumentarisches, welches die ganze Brutalität der deutschen Kolonialherrschaft zeigt.

Über ein Jahrhundert später sehen Menschen in Togo zum ersten Mal Schomburgs Bilder und versuchen sie im Kontext von damals und heute einzuordnen. Die Älteren erinnern an den Widerstand von Ya Na Andandi, König der Dagbon, der sich den Kolonisatoren in den Weg stellte und dessen Hauptstadt Yendi von den deutschen „Schutz“-Truppen dem Boden gleich gemacht wurde. Zitate aus Tagebüchern jener Zeit sowie der Reisebericht der Schauspielerin Meg Gehrts schildern das ganze Ausmaß an Grausamkeiten und den tiefen Rassismus der Deutschen. In einem Tagebucheintrag beschreibt ein deutscher Offizier, wie er Dörfer hat niederbrennen lassen, und wie froh er darüber sei, und Gott dafür dankt, dass niemand entkommen konnte. Um im nächsten Satz nur eine einzige Sache zu bedauern: den Tod seines geliebten Hundes, der in derselben Nacht starb, in dem er zahllose Menschen ermordet hat.

Die historischen Filmausschnitte sind extrem schmerzhaft anzuschauen (Trigger Warnung!) und es ist daher umso erstaunlicher, mit welcher Ruhe das Publikum in den Dörfern sich die Szenen aus der Vergangenheit ansieht – ohne Hass oder gar Vorwürfe den Deutschen gegenüber. Lediglich ein Gefühl von Unverständnis kommt auf. Warum haben die Deutschen so etwas getan? Das ist die Frage, die sich viele stellen. Nur bei einer Vorführung vor Studierenden in Lomé kommt endlich so etwas wie Wut und Kritik auf. Schomburgks Filme, so fordern sie, sollten in allen Schulen Togos gezeigt werden, um die Geschichte ins rechte Bild zu rücken. Eine Forderung, die auch für alle deutschen Schulen gelten sollte. Denn noch immer gibt es in der Erzählung dieses Kapitels deutscher Geschichte zu viele Auslassungen. Zum Wohlstand Deutschlands hat die „Musterkolonie“, als die Togoland galt, viel beigetragen und dabei sehr viel verloren. Das sollte jedes Schulkind in Togo und in Deutschland wissen.

Der Film läuft ab Mitte November bundesweit in ausgewählten Kinos. (09.11.2024)

English review in The African Courier

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Gesellschaft und Umwelt

Das deutsche Bild von Afrika – koloniale Kontinuitäten in der medialen Berichterstattung

Wenn eine weiße Person eine Schwarze Person sieht oder einer dunkelhäutigen Person begegnet – welche Bilder, Gedanken oder Assoziationen gehen als erstes durch den Kopf? Die gleichen, wie bei einer Begegnung mit einer weißen Person? Gar keine bzw. wertfreie, neutrale Gedanken? „Ich sehe nur den Menschen, nicht die Hautfarbe“, sagen Jene, die sich für aufgeschlossen und tolerant halten. Schön wär’s. Doch wenn wir ehrlich sind, ist dies so gut wie nie der Fall. Völlig unvoreingenommene und ungefärbte schwarz-weiß Begegnungen sind leider kaum möglich. Denn die Bilder, die sowohl Schwarze als auch weiße Menschen gegenseitig voneinander haben, sind geprägt von einer über 500-jährigen Geschichte, die mit Versklavung, Kolonialisierung, Unterdrückung und Exotisierung einherging.

Schon nach den ersten Begegnungen von Europäern mit nicht weißen Menschen in den Amerikas des 15. Jahrhunderts kamen mit den zurückkehrenden Konquistadoren Erzählungen von wilden, primitiven Menschen. Bei „Wilden“ konnte man den Gedanken der christlichen Nächstenliebe anders auslegen. Gegen Wilde braucht man schließlich eine härtere, brutalere Vorgehensweise – wie brutal diese war, wissen wir Dank der Augenzeugenberichte von Hernán Cortés, der die „Eroberung“ Mexikos und den Umgang mit den Bewohnern akribisch dokumentierte. Die angebliche Barbarei der indigenen Völker rechtfertigte die barbarische Art wie die vermeintlich Zivilisierten mit ihnen umgingen.

Den ganzen Artikel finden Sie auf den Seiten 39-46 des Magazins Grüne Reihe,  Ausgabe 122. Herunterladen können Sie das Heft HIER.

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Gesellschaft und Umwelt

Sind Namen Schall und Rauch? Umstrittene Denkmalkultur im öffentlichen Raum

Familienbedingt sitze ich oft im Flieger Richtung Ghana. Für mehrere Stunden liegt dann unter mir der „Schwarze Kontinent“. Die Route führt über Orte, die ich nur vom Namen kenne: Fada N’Gourma, Birnim Kebbi, Tillabéri. Beim Überfliegen denke ich oft daran, dass von diesen und ähnlichen Orten vor 400 Jahren Menschen zur westafrikanischen Küste getrieben wurden, wo sie auf Schiffe vor den Sklavenforts der früheren Goldküste verladen und in eine für sie unbekannte Zukunft verfrachtet wurden. Heute wissen wir, was mit den Millionen Menschen aus Afrika geschah. Und auch, was nach der Abschaffung des transatlantischen Sklavenhandels als Fortführung der Menschenausbeutung unter anderem Namen erfolgte.

Spuren der Kolonialzeit

Auf Einladung des Reichskanzlers Otto von Bismarck sicherten die „Weltmächte“ 1884/85 in Berlin einander das Recht zu, Länder und Gebiete in Afrika in Besitz zu nehmen und auszubeuten – zwanzig Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei. So begann die Kolonialzeit. Deutschland beanspruchte ein Drittel der aufzuteilenden Flächen. Wie die Sklaverei wurde auch der Kolonialismus irgendwann abgeschafft. Allzu lange ist es nicht her. Für mich ist es schwer vorstellbar, dass mein Vater, in der Goldküste geboren, England noch lange Zeit als „motherland“ bezeichnen musste. Ghana erlangte erst 1957 seine Unabhängigkeit. Viele afrikanische Länder waren noch in den 60er Jahren Kolonien, manche wurden sogar erst Ende der 70er unabhängige Staaten. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Welt zwei Weltkriege hinter sich, man hatte Erklärungen über Menschenrechte verfasst, Demokratie, Freiheit und Gleichbehandlung als Ideale verankert. Unvorstellbar daher, dass Spuren der Kolonialzeit bis heute nur selten hinterfragt und Menschen, die Verbrechen verantwortet oder ermöglicht haben, noch immer auf Straßenschildern geehrt werden. Menschen wie Joachim Nettlebeck, Theodor Leutwein, Hermann von Wissmann oder Carl Peters – die alle noch auf Straßenschildern in NRW zu finden sind.

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